Morgennebel
Ja, die Knochen sind noch müde,
darum bin ich auch sehr rüde,
hänge den Gedanken nach
und vermeide jeden Krach.

Schließe meine Haustür auf,
schwinge mich aufs Fahrrad rauf,
meine Kette springt vom Rad,
herrlich - dieser neue Tag.

Grau ist auch der Morgendunst,
wer da lacht, beherrscht die Kunst,
nicht zu zeigen, was er denkt,
wenn er seinen Esel lenkt.

Plötzlich kommt ein Sonnenstrahl,
in der Tat - noch etwas schmal,
trifft mich blendend im Gesicht,
nein, so mag ich Sonne nicht.

Ich durchschreite weite Räume,
um mich rum nur alte Bäume,
seh' die Welt aus andrer Sicht,
fühl' mich wie ein Bösewicht.

Ringsumher tropft es von oben,
wo die Spinnen Netze woben,
schaue ärgerlich hinauf,
doch der Ärger hört schon auf.

Merke, dass ich mich fast schäme,
ringsumher nur Diademe,
Lichterglanz, wohin ich schau,
und die Welt nun nicht mehr grau.

Lieber Gott, gib mir die Gnade,
nichts zu sehen, wäre schade,
nimm mich immer an die Hand,
wenn's mir mangelt an Verstand.

Deine Welt ist voller Wunder,
nur der Mensch sieht immer Plunder,
gebe ihm die eigne Macht,
stets zu sehen deine Pracht.

Selten sieht man schöne Stunden,
leckt sich lieber seine Wunden,
statt die Augen auf zu tun
und im Seelenfrieden ruh'n.
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Gedicht der Woche - Kw 46 / 2012
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Fotos & Gedichte: © Klaus Ender