Insula Rugia
Um so mehr die Zeiten schwinden, um so mehr die Insel krankt,
um so größer sind die Tränen, weil der Geist danach verlangt.
Jedes Leben hat ein Ende, doch das käme mit der Zeit,
jetzt, da kommt die große Wende, wo vom Schönen wir befreit.

Weil seit Jahren Wälder fallen - ohne Sinn durch Menschen Hand,
wo nur Motorsägen schallen, stirbt noch schneller der Verstand.
Unsre Ahnen waren ärmer, doch sie brauchten auch nicht viel,
der Erhalt von allem Schönen war ihr stets umkämpftes Ziel.

Doch seit über hundert Jahren hat die Erde ein Gesicht,
das mit Tausenden von Narben - nicht für Glück und Einsicht spricht.
Jeder will nur noch verdienen, keiner dient aus hehrer Sicht.
Jedem ist sein ICH am nächsten, so denkt jeder kleine Wicht.

Meine Insel stirbt ganz leise wie die Bienen auf dem Feld,
jeder stirbt auf seine Weise - und aus allem macht man Geld.
Jeder Ort hat einen Hügel und ganz oben weht der Wind,
jetzt bekommt der Hügel Flügel, die auch Vogelmörder sind.

Alle Hecken sind verschwunden, die Insekten sind längst tot,
doch der Mensch schafft neue Wunden - und die Welt gerät in Not.
Unsre Nahrung ist vergiftet, jede Frucht manipuliert,
unsre Frauen sind geliftet und der Krebs krebst ungeniert.

Lieber Gott, falls es Dich gäbe, gib dem Menschen mehr Verstand,
dass er nicht nur mit der Säge, sondern pflanzend zieht durchs Land.
Dass er Geld zum aller Nutzen in das Gute investiert
und die eignen Wünsche stutzend - nicht auf Fördergelder stiert.

Dass der Mensch die Mutter Erde nicht als Abfalleimer nimmt
und den Frieden nicht gefährde - weil von oben so bestimmt.
Dass man Andrer Werte achtet und die Menschlichkeit gewinnt
und die Erde neu betrachtet - dass wir dankbar dafür sind.
aus unserem gesellschaftskritischen Bildband "Nackt zwischen Dornen"
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Ender-Lyrik / Zeitgeist
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Fotos & Gedichte: © Klaus Ender
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